Es handelt sich hierbei um die Bebauungsplanung vom Baugebiet „Oberer Rotenberg“ (5 ha) oder „Hasenkopf“ (10 ha). Um die Bürger mit einzubinden, bereits vor der eigentlichen Planung, wurde eine Ortsbegehung des Baugebietes Oberer Rotenberg am 18.08.2018 durchgeführt. Mit dabei der Oberbürgermeister Dr. Thomas Spieß (SPD) und Leiter der Stadtplanung und Denkmalschutz Herr Reinhold Kulle, sowie Bürgermeister Franz Kahle (Bündnis 90 – Die Grünen). Dazu ein eigens hierfür beauftragter Moderator aus Darmstadt, der mit Mikrophon und Lautsprecher der Begehung folgte und an vorher bestimmten Punkten Fragen des Publikums aufnahm und entweder von Dr. Spies oder Herrn Kulle beantworten ließ. Obwohl die Temperaturen bereits um 11 Uhr vormittags sehr sommerlich waren und die Veranstaltung etwa 3 Stunden im Außenbereich stattfand und danach in der Kita „Höhenweg“ beendet wurde, verabschiedete sich niemand vorzeitig vom Rundgang, trotz sehr vieler älterer Mitbewohner, zum Teil im Rollstuhl, an Gehhilfen und Krücken, welche die Strapazen auf sich nahmen. Die Stimmung war bereits im Vorfeld aufgeheizt, was man den Gästen, sowie den Repräsentanten der Stadt anmerken konnte.Über 100 Bürger hatten den Weg zur Vorabdiskussion genutzt und Fragen gab es viele, wenn auch nicht alle relevant für diesen Termin waren. Doch es zeigte das große Interesse an diesem Bauvorhaben.
Direkt nach der Eröffnung überreichte der örtliche Reitverein, auf Ponies sitzend, eine Petition, um das Vorhaben gleich im Keim zu ersticken. Auch später wurde von der Leiterin des Reitvereins tränenreich darauf hingewiesen, dass weder die 37 Pferde, noch die zahlreichen Kinder dort weiter machen können, weil es dann an Futter fehlte, welches von der potentiellen Baufläche (derzeit eine Bio-Wiese) für den Winter entnommen würde. Auch Hinweise zum Wasserschutz, Starkwasserdrenagen, dem Vogelschutz (insbesondere dem Roten Milan), der Kaltluftführung am Oberen Rotenberg (um die Temperaturen im Sommer in der Kernstadt erträglich zu halten), der sozialen Infrastruktur, geplantes Gewerbegebiet, Verkehrsinfrastruktur, um nur einige Themen zu nennen, wurden von den Bürgern ins Feld geführt, doch die Antworten schienen den meisten Anwesenden zu wenig Substanz zu haben, denn bei den Hinweisen auf Gutachten, erläuterte der OB, dass es noch zu früh sei für Gutachten, denn man wisse noch nicht, ob Rotenberg oder Hasenkopf in Frage kämen und Gutachten könnten schnell einige 100.000 Euro kosten. So würde diese Entscheidung im Herbst dieses Jahres getroffen und erst dann würde man Sachverständige beauftragen. Man solle doch lieber dem Sachverstand derer vertrauen, welche diese Gebiete empfohlen hätten.
In einem persönlichen Gespräch mit Reinhold Kulle erfuhr ich, dass er derjenige sei, der diese Gebiete ins Spiel gebracht hatte, weil es die einzigen wären, welche bereits vor 15 Jahren als Bauland ausgewiesen worden waren. So alt sind dann eben auch die Gutachten, welche nach so langer Zeit keine Relevanz mehr haben, denn nicht nur der Klimawandel ist heute schon zu spüren, sondern auch Flora und Fauna haben sich in der Zwischenzeit verändert, doch es schien, als ob der OB auf jeden Fall dort bauen wolle, zumal es bereits Vorverträge der Sparkasse Marburg-Biedenkopf mit dem Grundstückseigner gibt und das Unternehmen tegut auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei Phillips einen Supermarkt plant. Der Kaufvertrag für das Gelände sei bereits geschlossen, erfuhren wir vom OB Dr. Spies, der darauf hinwies, dass dieses völlig unabhängig von seiner Stadtentwicklung und den 200 neuen Wohnheiten mit jeweils 2,7 Personen pro Wohnung, auf diesem Baugrund stattgefunden hätte und er keinerlei Kontakt zu tegut gehabt hätte. Ob die Firma tegut tatsächlich dort baut, wie groß und mit welchen Transportmitteln dort Ware verbracht wird, konnte (wollte) der OB nicht beantworten, weshalb ich mich an Michael Kraus, (Unternehmenssprecher tegut) wandte. Herr Kraus hielt Rücksprache mit der Unternehmensleitung und bestätigte den Kauf des Grundstückes, doch die Größe des Marktes hinge in erster Linie von der noch fälligen Baugenehmigung ab und die würde die Stadt erteilen. Die Nachricht, dass sich unser OB bei einem Außentermin für den Bau stark gemacht habe, freute und überraschte den Unternehmenssprecher von tegut, der hingegen der Aussage von Dr. Spies. den Kontakt zum Marburger OB bestätigte.
Laut Aussage von Dr. Spieß sei ein zusätzlicher Linksabbieger (aus Richtung Wehrshausen) völlig ausreichend, um den bisher moderaten Verkehr zu bändigen. Eine zusätzliche Ampel sei schon in der Überlegung und weil viele Bürger lachen mussten, ob der noch moderaten Verkehrssituation (die bereits seit Jahren im roten Bereich rangiert), wies der OB darauf hin, dass man Grundstückskäufern ja auferlegen könne, keine Fahrzeuge mitbringen zu dürfen, schließlich solle ja auch der Busverkehr ausgebaut werden. Immer mehr Widerstand regte sich nun in der Gruppe und außer Wiederholungen seitens des OBs kamen keine konkreten Aussagen seinerseits mehr zustande, denn die Situation hatte sich in spürbaren Missmut und Vertrauensverlust gewandelt. Das liegt unter anderem auch daran, dass ein Straßenausbau am Oberen Rotenberg topografisch nicht mehr möglich ist, sodass die LKWs, wie auch alle anderen Fahrzeuge ab 7,5 t durch die bereits überlastete Ketzerbach in Richtung Behringwerke fahren müssten, um anliefern zu können.
So wünschenwert eine Einkaufsmöglichkeit für die ortsansäßigen Bürger auch sein mag, so wenig hat sich die Stadt Gedanken gemacht, wie der zusätzliche Verkehr verkraftbar gemacht werden könnte. Die, vom OB, in den Raum geworfenen 10 Prozent mehr Verkehr haben überhaupt keine berechenbare Grundlage und scheinen angesichts des schnell voranschreitenden Ausbaus vom Görzhäuser Hof (ehemals Behringswerke), sehr unwahrscheinlich. Zudem würden natürlich auch die Arbeitnehmer all jener Unternehmen einen Supermarkt, der unweit der Heimroute liegt, gerne in Anspruch nehmen. So würde sich der innerstädtische Verkehr kaum reduzieren, da die Fahrzeuge ja immer noch nach Hause fahren, doch der Verkehr am Oberen Rotenberg würde dem Verkerskollaps anheim fallen. Hierzu gab es keine planerischen Aussagen von Spies und Kulle, was aber anscheinend jeder so erwartet hatte.
Betrachtet man die Bausituation am „Hasenkopf“ hingegen, sind dort nicht nur mehr Möglichkeiten vorhanden sozialen Wohnbau zu entwickeln (30 Einheiten am Rotenberg, etwa 100 am Hasenkopf), sondern verkehrstechnisch hätte man bereits eine belastungsfähigere Option, welche nicht so sehr mit Spätfolgen in die Natur eingreift, zumal der Supermarkt am Oberen Rotenberg nicht alleine bleiben würde, denn Lidl, Aldi & Co. überlassen eine Neubausiedling sicher nicht freiwillig dem Wettbewerb. OB Dr. Spies sah trotzdem keinen Grund, warum der Obere Rotenberg nicht von jedem beauftragten Gutachter im Sinne des Auftraggebers bebaut werden könnte. Ein Schelm, der dabei böses denkt, so der Tenor der Begehungsgruppe. Diese Unterstellung wies der OB wehement zurück, doch die Stimmung wurde weiter frostiger, was wohl auch mit ausufernden Wiederholungsantworten bei sengender Sonne zu tun hatte. Die Büger erwarteten transparenz, Offenheit und handfeste Informationen und bekamen letztendlich eine Verkaufsverantsaltung für (Schein) Demokratie und die bevorzugten Baupläne der Stadt. Das Versprechen, man könne noch in 5 Jahren einfach alles auf Null setzen und woanders bauen, traf auf keine offene Ohren mehr. Ebenso verhallten die Appelle von Dr. Spies, dass dies eine bisher einmalige Chance sei, etwas mehr Mitbestimmungsrecht als Bürger zu erhalten, denn die Stadt könnte auch ohne dieses Vorverfahren auskommen und einfach bauen, was diese wolle. Keine gute Bemerkung vom OB, denn ab da waren auch die neutral eingestellten Bürger skeptisch und regelmäßiges Murren wurde vom angereisten Moderator wieder abgebügelt und man werde (knifflige) Fragen zu einem späteren Zeitpunkt beantworten. Dies geschah aber tatsächlich nicht, weshalb ich bei tegut selbst nachfragte.
Mein Kommentar:
Warum dem Bürger nicht einfach alle Fakten auf den Tisch gelegt werden, bleibt weiter im Dunkeln und ich persönlich halte eine Kontaktaufnahme zwischen Oberbürgermeister und expandierwilligen Unternehmen nicht für strafbar, aber es scheint seitens der Stadtverantwortlichen Bedenken hinsichtlich dieser Kontakte zu geben. Ob der OB selber oder seine leitenden Mitarbeiter diese Kontakte und Schritte vollziehen ist dabei nebensächlich, denn die politische und monitäre Verantwortung trägt der OB. Transparenz sieht für mich anders aus und ob alles in 5 Jahren auf Null gesetzt werden kann, bezweifle ich sehr stark, wenn alle beteiligten Parteien bereits in den Startlöchern stehen.
Ihr, Arno von Rosen
Keiner der Anwesenden hatte Einwände fotografiert zu werden, trotzdem habe ich Kinder unkenntlich gemacht.